Grußwort zur Mahnwache an der Bielefelder Synagoge
Aktualisiert: 27. Sept.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Lieber Unterstützer*innen der Mahnwache,
verehrte Mitglieder der jüdische Kultusgemeinde.
Wir stehen hier heute, knapp ein Jahr nach dem grausamen Terrorangriff der Hamas zur 21. Mahnwache vor der Synagoge in Bielefeld. Und immer noch stehen wir hier in Trauer und Fassunglosigkeit ob dieser unmenschlichen Tat und gedenken der Opfer. Und noch immer sind nicht alle Geiseln aus ihrer Gefangenschaft befreit, noch immer bangen Familienangehörige und Freunde um das Leben ihrer Liebsten. Und noch immer haben wir die verstörenden Bilder des brutalen und unmenschlichen Angriffs vor Augen. Doch heute sind wir wieder hier, nicht nur um zu trauern, sondern um ein klares Zeichen der Solidarität zu setzen – mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern hier bei uns. Antisemitismus und Hass, in welcher Form auch immer, dürfen keinen Platz haben in unserer Gesellschaft.
Wir stehen fest an der Seite der jüdischen Gemeinschaft, und wir lassen uns nicht durch Gewalt und Extremismus spalten. Doch bedauerlicherweise ist diese Solidarität nötiger denn je. Denn laut Verfassungsschutz haben antisemitische Straftaten im letzten Jahr einen Höchststand erreicht: 2023 wurden über 1.900 politische Straftaten mit antisemitischem Hintergrund verübt; ein Großteil davon ereigneten sich nach dem 7. Oktober 2023. In dieser schwierigen Zeit wird die Bedeutung des Zusammenhalts noch klarer. Denn gerade in Zeiten wie diesen stehen wir auch vor einer Debatte, die uns alle betrifft – die Migrationsdebatte. Die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Menschen umgehen, die bei uns Schutz und eine neue Heimat suchen, ist ebenso aktuell wie brisant. Leider erleben wir, dass Migration und Flucht oft mit Vorurteilen, Ängsten und Spaltung verknüpft werden.
Doch dürfen wir nie vergessen: Hass und Vorurteile gegenüber Minderheiten – ob jüdisch, muslimisch, christlich oder anders – haben eine gemeinsame Wurzel. Unsere Aufgabe ist es, und damit meine ich jeden einzelnen von uns ganz persönlich, in diesen Debatten mit Besonnenheit und Menschlichkeit zu agieren. Denn es ist genau diese Menschlichkeit, die uns ausmacht. Sie ist der Grundpfeiler unserer Gesellschaft, die auf Werten wie Toleranz, Freiheit und Gleichheit beruht.
Wir dürfen nicht zulassen, dass Extremismus, sei es von innen oder von außen, unsere Grundwerte bedroht. Besonders wichtig wird dies vor dem Hintergrund der Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen und dem furchtbaren Attentat von Solingen. Migration bedeutet aber nicht nur Bereicherung, sondern sie fordert uns auch heraus: Zu mehr Verständigung, zu einem stärkeren Zusammenhalt und zu einer klaren Haltung gegen jede Form von Diskriminierung und Hass. Die schrecklichen Ereignisse vom 7. Oktober erinnern uns daran, wie zerbrechlich unsere Welt ist – und wie wichtig es ist, Brücken zu bauen.
Lasst uns heute gemeinsam eine klare und ganz einfache Botschaft senden: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger und natürlich auch für alle anderen Menschen, die hier leben und mit uns gemeinsam für eine friedliche und gerechte Zukunft arbeiten.
Ich möchte hier auch die unschuldigen Opfer in Gaza nicht vergessen – Menschen, die ebenso unter Gewalt und Zerstörung leiden und deren Schmerz uns mahnt, dass jedes Leben wertvoll ist. Denn nur gemeinsam, können wir eine Welt schaffen, die frei ist von Hass und Gewalt. Vielen Dank!